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Blumen erfreuen uns. 

Und noch mehr im Frühjahr, wo uns ihre Farben in den Bann ziehen. 

Sie sprechen uns an, und irgendwann verstehen wir Ihre Botschaft. 



Sie sagen: Weißt Du was die Fülle ist?

Ich sage: Ja klar: Fülle ist Fülle. Das reicht doch aus fürs Leben.

Aber weißt Du auch, was die ganze Fülle ist? So viel Fülle und Erfüllung, dass Du fast platzt?


Da erinnerte ich mich an ein Plakat, das im Schaufester einer Kirche aushing:

?Siehe, ich gebe Dir die ganze Fülle.? Schon damals war ich irritiert.

Ich verstand nicht, warum es diese Steigerung noch braucht.


Erst eine Tulpe löste für mich dieses Geheimnis. 

Hast Du eine Tulpe mal beim Blühen beobachtet?

Erst sind die Blütenblätter geschlossen, dann erwacht sie.

Sie öffnet sich. Den nächsten Tag öffnet sie sich noch mehr und sie streckt sich,

und die nächsten Tage hört sie gar nicht mehr auf sich zu strecken und weiter zu öffneten und sich zu 

stecken usw. 

Bis ihre Blätter das äußerste aus sich herausgeholt haben und überstreckt nach unten hängen. 

Ja, dachte ich. Das ist mehr als Lebens-Fülle. Das ist die ganze Lebensfülle. Wie mehr es nicht geht.



Ich hatte um die Mitte des Lebens eine Zeit, in der ich mich so viel ärgern musste. Viele berufliche 

und private Beziehungen endeten vorzeitig. Ich versuchte ein Muster hinter all dem Scheitern zu 

erkennen. Und ja, ich fand es: Ich bin wieder Kompromisse eingegangen, die ich hätte nicht 

eingehen sollen. Ich habe mich wieder in spezielle Arbeitsverhältnisse begeben, wo ich schon früher 

sagte, das gehe ich nie mehr ein.

Also, ich habe gegen mein ureigenes Wesen verstoßen. Ja toll!! Aber wer bin ich? Warum hat es mit 

dieser Freundin wieder nicht funktioniert, und warum musste ich mich aus einem unmöglichen 

Arbeitsteam wieder herauskündigen?

Weil ich wieder Sachen eingegangen bin, der ich nicht bin.



Zum xten Mal ? Doch nun weiß ich, mit knapp 50 Jahren, dass ich kein Ganseblümchen bin. Mit knapp 50 Jahren weiß ich erst, was mir gut tut und was nicht? Aufgeklärt durch Jahre vieler 

Wiederholungen des Glückens und des Scheiterns? Ja man wird sich sicherer. Ich weiß, was zu mir 

passt.


Früher war ich über Jahre mal Gänseblümchen, mal Rose. Oder auch Veilchen oder Tulpe. Heute geht

das nicht mehr. Ich will nicht mehr scheitern. Nicht mehr die unpassenden Frauen lieben, oder die 

falschen Autos fahren, mich beruflich unter Wert zu verkaufen.

Ich weiß heute genau, wer ich bin, was ich will. Ich will genau diese Art von Frau. Typ und Haarfarbe. 

Ich weiß genau, dass ich in keinem Team mehr arbeiten werde. Ich bin kein Teamplayer. Ich werde 

nur noch dieses Auto fahren (in Gedanken bis jetzt zumindest). Ich weiß, wohin in den Urlaub, zu 

wem ich nett bin und zu wem nicht, was ich ablehne und wo ich nein sage. Weiß was mir gut tut und 

was nicht.


Ich werde keine Kompromisse mehr machen. Sonst handele ich gegen meine Natur und bekomme 

nur Abfuhren und Misserfolge.


Die Lebens-Fülle stand mir bis heute immer offen. Und ich habe sie wahrlich gelebt. 

Wenn das aber alles ist, kommst Du an Deinem Ziel nicht an. An deiner Bestimmung. Was du immer 

leben und sein wolltest. Was du bist. 


Erkenne, wer Du bist. Und tu nichts anderes mehr. Sei keine andere Blume mehr. Nur dann kannst 

Du Deine Persönlichkeit und Fülle bis ins Extreme steigern und zum Platzen bringen. Zur Brillanz. Zur 

Fülle bis zum letzten Tropfen ? zur ganzen Fülle.


Interessant dabei sei noch erwähnt, dass Du damit aber auch eine extreme Einengung und 

Beschränkung eingehst. Du fährst keinen Citroen mehr und liebst kein braunhaariges Mädchen mehr. 

Du gehst kaum mehr Experimente ein und gehst einen geraden Weg, ohne Umwege und wenig 

Kurven.


Als Du noch die Blumenarten in Dir wechseltest, war es, als schautest Du über den Tellerrand. Du 

hast Sachen erlebt, die gar nicht dir entsprachen, wie sich später herausstelle. 



Aber der große Vorteil an alledem war: Du hast Dinge erlebt und Dich darauf eingelassen, die Du 

heute nie mehr tun würdest. Du bist hinter Horizonte gegangen und hast dadurch großes Wissen 

angehäuft, wo Du heute wegen Deiner Kompromisslosigkeit nicht mehr hingehen würdest. 

Bereichernde Irrwege hast heute Du satt. 


Stell Dir vor, Du hättest früher schon ausschließlich Deine Blumensorte und Dein Ego so gelebt, Du 

hättest viele Welten, Glücks- und Schattenseiten und manche Menschen nie erlebt. Wärst um vieles dümmer und hättest weniger Fähigkeiten erlernt.


Somit ist gut, dass wir am Lebensanfang nicht wissen, wer wir sind. Und wir uns über die Jahre 

suchen und suchen. Mal zusammen mit diesem Mädchen, dann leider wieder mit einem anderen, 

Mal in dieser Stadt, dann wieder woanders, und auch immer mit einer anderen Automarke 


Heute kann ich und will ich von meiner speziellen Blumenart nicht mehr abweichen. 

Und diese hat auf jeden Fall auch Stacheln.


Dies ist mein Tulpenbeispiel